Jennifer Gaulocher
10.09.-24.09.2016
Die Ausstellung „wunderkammer: vollständig vollzählig“ der Karlsruher Künstlerin Jennifer Gaulocher teilt sich in zwei Ausstellungsabschnitte die sich kontrastierend gegenüber stehen. Der „Sammlungs-Teil“ und die „Wunderkammer“ werden spezifischen Videoarbeiten gegenüber gestellt. Gaulochers Arbeiten befassen sich mit Aspekten des Sammelns, ohne zu werten. Die Tautologie des Ausstellungsnamens spiegelt die Eigenschaften der Sammlungen wieder. Die Arbeiten der Künstlerin entstehen seriell und fügen sich als Wunderkammer zusammen in der es viel zu sehen und zu entdecken gibt.
wunderkammer: vollständig vollzählig Eine Arbeit aus der „Wunderkammer“ ist die „Collection II“, welche eine Ansammlung aus Reisefotografien ist und unter anderem einen Ursprung im Trend des „reisenden Kuscheltiers“ entspringt. Dies wird kombiniert mit dem Retro-Trend der Sofortbildfotografie. Während in Realität solche Bilder zur Präsentation der „ersammelten“ Reiseziele dienen und in gewisser Weise zur Selbstprofilierung, rutschen die Fotografien, zusätzlich zur schwankenden Qualität mit Teils kaum erkennbaren Orten, immer mehr in das Banale ab – auch die Wahl des reisenden Gegenstandes wirkt ungewöhnlich.
Ein anderes Werk besteht aus einer ehemaligen Kuscheltiersammlung, welche zu einem Konglomerat zusammengenäht wurde. Parallel dazu gibt es Portraitfotos der verwendeten Stofftiere, welche vor ihrer Umwandlung zu sehen sind. In gewisser Weise ähnlich, besteht „Collection I“ aus nicht erschließbaren Excel-Tabellen, in denen penibel jede Gegenstandsgruppe der „Sammlungen“ geordnet ist. Ohne Kontext oder Spaltenbeschriftung, bildet es eine Anhäufung an Daten, die man nicht deuten kann. Irrelevant erscheinende Faktoren, wie die Längenkante eines Buches, werden zum ordnenden Faktor.
In überspitzter Art kommentieren die Arbeiten verschiedene Verhaltensweisen und erforschen ob der Besitz oder dessen Abstinenz als Weg zum Glück funktioniert, wobei es kein gut oder schlecht gibt. Die Wunderkammer mit ihren Sammlungen und die Videoarbeiten als Illusion, werden aufgeführt aber nicht aktiv bewertet.
Was die Arbeiten in dem Wunderkammer-Teil gemein haben ist, dass die Sammlungen auf verschiedene Arten und Weisen mutieren. Sie werden unbrauchbar, unheimlich oder lächerlich, durch Verfremdung ihrer Maßstäbe, Farben, Formen oder ihres Nutzens. Als Sammlungsobjekt wird ihnen ihr Nutzen aberkannt und sie werden auf die Rolle des Sammlungsteils beschränkt. Der weitere Teil der Ausstellung besteht aus Videoarbeiten. Jennifer Gaulocher begann Videosequenzen aufzunehmen in denen Vorgänge in der Natur, wie vorbeiziehende Wolken oder Wellen zu sehen sind.
Durch die Abstinenz von Menschen in diesen Aufnahmen wird eine Idylle von Alleinsein, Abgeschiedenheit und Abgelegenheit gezeigt, welche im Kontrast zu den „Gesellschaft und Konsum“ wiederspiegelnden Sammlungen stehen.
Die reine Natur wird jedoch laut der Künstlerin zu überladenem Kitsch, dank bekannter, überbenutzter Bildsprache. So driftet die Arbeit von der versprechenden Erlösung der erdrückenden Konsumware in ein Klischee des Glücklich Seins ab und wird durch bewusst gewählte stilistische Mittel verstärkt.
Insgesamt zieht sich durch Gaulochers Oeuvre eine gewisse Ambivalenz, der Kontrast zwischen Kitsch, Niedlichkeit und Infantilität und dem Unlogischen, Unsinnigem, Seltsamen und Unheimlichen, wobei ordnende und archivierende Elemente, wie Listen, Setzkästen und Lexika oftmals in ihren Werken aufzufinden sind. Themen wie Kitsch, Vintage-Ästhetik und Obskurität werden in ihren Darstellungen mit einem Augenzwinkern aufs Korn genommen oder ad absurdum geführt.
Die Kombination aus alledem generiert eine Atmosphäre des Ausstellungsraumes der als starkes Kontrastprogramm zu der Kunsterfahrung aus dem White Cube steht. Die Stimmung der Wunderkammer und die Distanzierung der von Brian O’Doherty behandelten Weißen Zelle ist ein weiteres Anliegen der Karlsruher Künstlerin.
Jennifer Gaulocher studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe in der Klasse von Prof. Marijke van Warmerdam.